Freitag, 13. Oktober 2017

Buchempfehlung "Hooligans"

Seit die rechten „Hooligans gegen Salafisten“ im Oktober 2014 in der Kölner Innenstadt randalierten, stehen sie immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Doch Hooligans entsprechen nicht mehr dem Bild alkoholisierter Fußballrowdys, die Szene hat sich ausdifferenziert. Es gibt inzwischen viele Fraktionen: Gruppen, die sich an sogenannten Drittorten zu verabredeten Matches treffen, durchtrainierte Kampfsportler, die eigene Mixed-Martial-Arts-Turniere veranstalten, oder wie man sie bei der Europameisterschaft 2016 auf Seiten der Russen in Marseille beobachten konnte.



Der rennommierte Fanforscher Robert Claus erzählt in seinem Buch die Geschichte der Hooligans. Sein Fokus liegt dabei auf den aktuellen Entwicklungen. Er analysiert die internationalen Netzwerke und beleuchtet die Verbindungen in die Rocker- und Kampfsportszene in spannenden Reportagen. So ist Claus ein ausführliches Porträt einer Szene gelungen, die einzig ihre Lust an Gewalt eint und über die bislang viel zu wenig bekannt ist.

Zu Wort kommen in seinem neuen Buch ehemalige und aktive Hooligans, Neonazi-Aussteiger, Kampfsportler, Kenner des osteuropäischen Hooliganismus sowie der Rockerszene, Berater von Opfern rechter Gewalt, Polizisten und Politiker, Fanarbeiter, Wissenschaftler, Fußballfans und weitere Experten. So entstand ein detailliertes Bild dieser gewalttätigen und zum Teil rechtsextremen Szene. Ihm ist ein wunderbar sachliches und differenziertes Portrait der Szene gelungen, höchst flüßig zu lesen.

Hier geht es zum Buch beim Verlag.

Mittwoch, 11. Oktober 2017

Update: Außenminister lässt US- Sportlerinnen einreisen

Emma Cannon und Brionne Jones Spielerinnen des russischen Basketball Europaligisten dürfen nun doch in die Türkei zum heutigen Spiel gegen Fenerbahce einreisen. Zuvor war ihnen die Einreise aufgrund eines Einreisverbotes gegen US-Amerikaner verboten worden. Nun hat der türkische Außenminister zu mindestens für Emma Cannon und Brionne Jones ein Außnahme gemacht. 


Am gestrigen Dienstag erschütterte die Nachricht des Einreiseverbotes von Cannon und Jones den russisches Sport. Als Skandal betitelte Klubchef Oleg Hramkin das Einreiseverbot. (siehe Einreiseverbot für US-Sportler )  Auch vorherige Kontaktaufnahme zum internationalen Basketballverband (FIBA) half den Russen nicht. Die türkische Seite stellte sich stur und beharrte darauf, dass seit dem 8. Oktober keine US-Bürger mehr in das Land einreisen dürfen, die nicht über ein zuvor ausgestelltes Visum verfügen. Neue Visa werden an US-Bürger nicht vergeben, heisst es dort.

Das ein Einreiseverbot von Sportlern, aufgrund ihrer Herkunft gegen die Grundlagen des Sport verstößt war den Entscheidern gestern noch egal. Heute jedoch wurde zurück gerudert. Stunden vor Spielbeginn wurde den beiden Sportlerinnen erlaubt ihrem Team hinterher zu reisen. Der Klub Orenburg sah aber davon ab die Spielerinnnen ihrem am Dienstag in die Türkei geflogenen Team nach reisen zu lassen und tritt nur mit einem 8-köpfigen Kader in Istanbul an. Somit bleibt auch weiterhin möglich, das der Klub sich aufgrund der Benachteiligungen durch die türkische Regierung im Anschluß an die Partie an die FIBA wendet um eine Bestrafung des türkischen Klubs bzw. des Verbandes zu erlangen.  

Meldung zum Spiel gg. Fenerbahçe auf der Homepage von Orenburg

US-Sportler aufgepasst


Fakt ist jedoch, das mit Emma Cannon und Brionne Jones zu mindestens zwei Sportlerinnen in die Türkei einreisen durften, während der US-Bann weiterhin besteht und alle US-Amerikaner an den türkischen Grenzen abgewiesen werde, sofern sie nicht über ein Visum verfügen, welches vor dem 8. Oktober erstellt wurde. Für Sportvereine und Sportler gilt bei Reisen in die Türkei gut zu planen. Kontaktaufnahme zur Presse und zum türkischen Außenminister direkt scheinen erfolgsversprechender zu sein als die Kontaktaufnahme zu den internationalen Sportsverbänden, welche anscheinend ratlos dem Visa-Krieg zwischen der USA und der Türkei gegenüberstehen.

Live im Internet

Die Partie zwischen Fenerbahce und Orenburg wird um 19 Uhr (20 Uhr Ortszeit) angepfiffen und auf dem Haussender des Istanbuler Klubs, FB TV, live übertragen.




Ergänzung: In einer älteren Version dieses Artikels gingen wir noch davon aus, das Orenburg versucht nachträglich die Spielerinnen in die Türkei einfliegen zu lassen. Dies stellte sich jedoch im Laufe des Abends als falsch heraus. Die Spielerinnen mit US-Pass blieben zu Hause in Russland. Der Artikel wurde dementsprechend aktualisiert.


Weiterführende Artikel


Am heutigen Dienstag wurde Emma Cannon und Brionne Jones, zwei Spielerinnen des russischen Basketball Europaligisten Nadejda Orenburg, die Einreise in die Türkei verboten. Ihr Team soll am morgigen Mittwoch gegen den türkischen Klub Fenerbahçe antreten. Hintergrund des Einreiseverbotes ist eine Maßnahme der Türkei, die seit Sonntagnacht, die Einreise von US-Bürgern, die nicht über ein vor dem 8.10.2017 erteiltes Visum verfügen verbietet. Ein US-Bann. ...

tumds.blogspot.de - 10. Oktober 2017, Dienstag




Dienstag, 10. Oktober 2017

Einreiseverbot für US-Sportler

Am heutigen Dienstag wurde Emma Cannon und Brionne Jones, zwei Spielerinnen des russischen Basketball Europaligisten Nadejda Orenburg, die Einreise in die Türkei verboten. Ihr Team soll am morgigen Mittwoch gegen den türkischen Klub Fenerbahçe antreten. Hintergrund des Einreiseverbotes ist eine Maßnahme der Türkei, die seit Sonntagnacht, die Einreise von US-Bürgern, die nicht über ein vor dem 8.10.2017 erteiltes Visum verfügen verbietet. Ein US-Bann.

Das Einreiseverbot für US-Bürger ohne Visum ist eine Reaktion der türkischen Regierung, auf die am Sonntag angekündigte Schließung der US-Vertretungen in der Türkei für Publikumsverkehr. In einer u.a. auf Twitter verbreiteten Erklärung, stellt die US-Botschaft fest, dass der Publikumsverkehr für alle Visa, außerhalb der Migrations-Visa vorübergehend eingestellt sei. Damit soll die Sicherheit der Angestellten und der Missionen gewährleistet werden. Dem vorausgegangen war eine Festnahme eines Angestellten des Konsulates in Istanbul. Dem türkischen Mitarbeiter wird, wie so oft in der Türkei, der Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gemacht. In diesem Falle, wohl die Organisation um den Prediger Fetullah Gülen, der in der USA lebt und von der türkischen Regierung für den gescheiterten Putschversuch 2016 verantwortlich gemacht wird.  Zuvor gab es auch schon im türkischen Adana eine Festnahme eines US-Mitarbeiters.

Homepage von Orenburg mit der Meldung zum Einreiseverbot


Einreiseverbot für US-Bürger


Die US-Botschaft weißt daraufhin, dass türkische Staatsbürger überall auf der Welt weiterhin ein Visum für die USA beantragen können, eben zur Zeit nur nicht in der Türkei und das es sich somit nicht um ein Einreiseverbot gegenüber türkischen Staatsbürgern handelt. Die türkische Seite nahm  jedoch die Teil-Schließung der US-Missionen zum Anlaß, ein fast gleichlautende Erklärung zur verfassen, nur mit dem Zusatz, das alle Visa, für US-Bürger nun nicht mehr erteilt werden. Dies traf nun auch, wie viele Reisende, die beiden Sportlerinnen. Denn bis zum Sonntag wurden Visa für US-Bürger an der Grenze selbst bei der Einreise gegen einen Betrag von 30 Dollar erteilt. Nun ist eine Einreise für US-Bürger in die Türkei nicht mehr möglich. 


Fast wortgleiche Erklärungen der Botschaften, der letzte Satz in der Türkischen führte zum US-Bann


„´Geschenk` Erdogans“


Der russische Klub reagierte verärgert. Der Klubchef Oleg Hramkin bezeichnet gegenüber der russischen Agentur Tas das Verhalten der Türkei als Skandal, will jedoch trotzdem gegen Fenerbahce antreten und geht zudem weiterhin von einem Sieg aus. Auf der Homepage des Klubs, wird die Nachricht über das Einreiseverbot der Sportlerinnen mit „´Geschenk` Erdogans“ betitelt. Im Bericht wird daraufhin gewiesen, dass der Klub sich im Vorfeld an den internationalen Basketballverband (FIBA) wandte, doch von der FIBA an die Türkei verwiesen wurde. Auch wenn Vereinschef Hramkin fest an einen Sieg glaubt, wird sich die FIBA wohl spätestens bei einer Niederlage von Orenburg mit dem Fall beschäftigen müssen. Ein Einspruch gegen die Wertung im Nachhinein scheint fast unausweichlich.

Sportverbände gefragt



Auch andere Vereine müssen ihre Spielerinnen und Spieler noch einmal checken vor einer Reise in die Türkei. Kaum zu glauben, das die Sportverbände diese Vorgehen der Türkei so durchgehen lassen.  Wettbewerbsverzerrung ist hier nur ein Stichpunkt. Desweiteren stellt dies einen Eingriff in die Transferpolitik aller Klubs dar. Auch internationale Sportereignisse in der Türkei stehen nunmehr unter einem schlechten Stern. Die Turkish Airlines Open im November oder der internationale Marathon in  Istanbul im Oktober ohne US-Akteure? Dass der Sport internationaler ist, als es die Politik wahrhaben möchte, zeigte sich zuletzt erst in den USA. Denn selbst Trump musste bei seinen Versuchen einen Muslim-Bann in seinem Land einzuführen vor der Macht des Sportes zurückweichen.  Nationale Sportverbände und das nationale olympische Komitee riefen den US-Präsi schnell zurück.  Dass die nationalen Sportverbände in der Türkei offen die Regierung kritisieren und zu einer Kursänderung bewegen scheint unwahrscheinlich, doch ist mit dem Einreiseverbot von Cannon und Jones das Thema erst mal auf dem Tisch.

Abwehrschlacht

Von Robert Claus und Harald Aumeier

April 2010. Der FC Barcelona – das Team der Stunde – trifft im Halbfinale der Champions-League auf das chancenlose Inter Mailand. Es ist das Duell zweier Systeme: Auf der einen Seite spielt das von Pep Guardiola trainierte Barca mit seinen Feinfüßen Messi, Xavi und Iniesta ein auf dominanten Ballbesitz ausgelegtes Kurzpassspiel. Auf der anderen konzentriert sich das vom Taktiklabor Morinho aufgestellte Inter Mailand um die Abwehrgrätsche Thiago Motta aufs Verteidigen und Kontern. Doch konnten die Norditaliener das Hinspiel in der katalanischen Hauptstadt überraschend mit 3:1 für sich entscheiden. Nun sann das Team aus dem Baskenland im entscheidenden zweiten Duell auf Revanche.

Ich stehe kurz vor meinem persönlichen Sieg. Nur noch ein Wort fehlt: die Abwehrschlacht.










Wir hingegen sitzen an diesem Mittwochabend vor dem Fernseher und freuen uns auf einen berauschenden Kick der anderen Art. Vor jedem von uns liegt ein Zettel. Wir spielen Fußball-Bingo: In eine Tabelle von 5 mal 5 Feldern trägt jeder Fußballbegriffe und -floskeln ein, die der Kommentator im Laufe des Berichts aufrufen wird. Wer zuerst eine Reihe abstreichen kann, gewinnt eine Devotionalie aus der Fußball-Mottenkiste meiner Dortmunder Mitbewohnerin.


Unser Spiel beginnt. Der spanische Meister drängt von Beginn an, spielt flinken „Tiki-Taka“ mit doppelten „Übersteigern“ und filigranen „Tempodribblings“. Adrenalingetrieben beginne ich meine Felder abzustreichen. Das scheint den Kommentator zu inspirieren. Er treibt mich an. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn und tropfen auf den Zettel. Er redet von „Bananenflanken “, „Dropkicks“, „Flugkopfbällen“ hier und „Taktikfüchsen“, „Glanzparaden“ sowie italienischem „Catennaccio“ dort. Ich komme kaum noch hinterher, suche mehr die Begriffe auf meinem Zettel, als dass ich das Spiel verfolge. Als er dann auch noch über den „Konterfußball“ der Mailänder herzieht, stehe ich kurz vor meinem persönlichen Sieg. Nur noch ein Wort fehlt: die Abwehrschlacht.

Thiago Motta bekommt die Rote Karte für eine Tätlichkeit, das Spielgeschehen verlagert sich  immer weiter Richtung Mailänder Tor. Der FC Barcelona hat den Strafraum umzingelt, wo sich die Schwarz-Blauen verzweifelt an ihr Ticket ins Finale klammern. Sie grätschen, beißen, ziehen, zerren, werfen sich in jeden Schuss. Der Kommentator schadroniert vom „Stellungskrieg“ und der Strafraumgrenze als „Frontgraben“. Der militärische Wahn hat ihn vollends aufgepeitscht.

Doch woher kommt nur dieser kriegerische Sprech, runzt es hinter meinen zusammengepressten Zähnen. Zumal auch Bundestrainer Jogi Löw nach dem WM-Spiel gegen Ghana 2014 von einem Stahlbad eiferte, durch das sein Team gegangen sei. George Orwell dichtete einmal Fußball sei Politik mit anderen Mitteln in Anlehnung an den Ausspruch des preussischen Generals Clausewitz, der selbiges über Krieg gesagt hatte. „Sport is war without shooting“, führte er aus. Es leuchtet ein: Abordnungen von Kiezen, Städten, Regionen, ganzen Ländern stehen sich getrennt in den Farben gegenüber und spielen mit körperlicher Aggression ihre Dominanz aus. Das Spiel wird aufgeladen mit den krudesten Formen niederträchtigsten Hasses, Siege gelten als Triumphe, Niederlagen als Untergang. Fußball und Existenz fallen in eins, historisch kein Zufall. Sebastian Haffner hob hervor, wie der aufblühende Amateursport der Weimarer Republik dazu diente, die Nation körperlich für den kommenden Krieg zu trimmen. Und er kam – so sicher wie der nächste Spieltag.

Zurück zu den modernen Gladiatoren: Die Zeit verrinnt, für Barca, für mich und meinen Glauben an die Fußballfloskel. Barcelona fehlen die Tore wie mir das eine Wort zu einer vollen Bingoreihe. Die Katalanen wollen das Finale und ich den Freudentanz auf meiner Couch. Ich bete, dass der Kommentator endlich die großen „Wortgranaten“ losfeuert. Verdribbelt und zugestellt – ‚Nun sag es schon!’ schreie ich den Fernseher an. Fassungslos hänge ich an den Lippen des aufgeregten Sprechers, der mein Glück in seinem Munde hält. „Inter geht es nicht um schönen Fußball, hier zählt nur die Null im Ergebnis“ höre ich. ‚Wenn ein Team hoffnungslos unterlegen ist und sich auf beinhartes Verteidigen beschränkt, dann ist das eine ... Ach was soll’s, schick ich dem Sender halt ´nen Duden’, grummelt es in mir.

Just, als ich meinen Zettel deprimiert zerknüllen möchte, geschieht es. Der FC lässt den Ball wieder einmal um den Strafraum laufen, als sei es Handball. Plötzlich steckt Xavi die Kugel auf links durch zu Piqué, der den herausstürmenden Torwart filigran mit der Sole umdribbelt und in der Drehung einschießt. Der zweite Treffer würde das Team ins Finale bringen. Inter hat sich komplett in den eigenen Strafraum zurückgezogen, verteidigt, als gäbe es kein danach. Derweil bringt sich der Kommentator in Stellung und posaunt in Kriegsmelodie: „Jetzt haben wir eine Abwehrschlacht!“.


Ich springe auf, ernte neidische Blicke und öffne den Gewinn des Abends: Eine Autogrammkarte von Jürgen Kohler! Es heißt, er hätte die Grätsche in den 90er Jahren neu erfunden. Ein Urvater der Abwehrschlacht. Meine Anspannung weicht entkräfteter Freude, nach dem frenetischen Jubel sinke ich kriegsmüde zurück auf meine Couch. Wie würde dieses Bingo nur zu Kampfsportfilmen verlaufen? Oder zu einer Pressekonferenz des DFB?



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Seit Dezember 2014 sind 35 Mitglieder der Istanbuler Ultragruppe „Çarşı“ wegen Vorbereitung eines Putschversuches angeklagt. Dabei gerät den Anhängern des Stadtteilclubs Beşiktaş vor allem ihre Beteiligung an den Protesten um den Gezi-Park zum Verhängnis. Ein Politikum. Und nur vor dem Hintergrund der Machtkämpfe in der Türkei zu verstehen. ...


tumds.blogspot.de - 10. Dezember 2015, Donnerstag