Dienstag, 25. März 2014

Die Fußballdeutschen kommen!

Wie der DFB seine eigenen „Inländer“ schuf.

Manche Begriffe des fußballerischen Sprachkosmos können tausende Assoziationen bewirken. Der ‚Fußballdeutsche’ ist einer von ihnen: Handelt es sich hierbei um einen DFB-Fan, der sein Handtuch schon Stunden, nein Tage vor Spielbeginn auf der Fanmeile auslegt? Ist er ein jemand, der sich die Nationalfarben nicht ansteckt, es sei denn, wir haben WM? Oder handelt es sich bei ihm um den Stereotyp des kantigen Abwehrhünen, der rechts einen ungelenken Holzfuß und links eine fleischerne Gehhilfe trägt, dem Kurzpassspiel ein Fremdwort ist, da er durch „langen Hafer“ sowie Kampfgeist zu bestechen weiß?

Nichts von alledem. Um 1990 herum stand ein kleiner Migrantenverein aus Berlin-Kreuzberg namens Türkiyemspor mehrfach kurz vor dem Aufstieg in die 2. Bundesliga. Doch galt damals noch die Regel, dass pro Spiel nur drei Nicht-EU-Bürger in der Startelf stehen durften. Dies wäre dem Kader, der zwar mehrheitlich mit Spielern aus Berlin besetzt war, die aufgrund der damaligen Einwanderungsgesetzte jedoch nur den türkischen Pass besaßen, zum Verhängnis geworden. Der DFB stand unter Handlungsdruck und schuf kurzerhand die Kategorie des „Fußballdeutschen“. Dieser galt in der Welt des Leders als Inländer, wenn er fünf Jahre ununterbrochen für deutsche Vereine gespielt hatte, drei davon in seiner Jugend. Dies wiederum traf auf die meisten Spieler Türkiyemspors zu, waren sie doch zumeist Kinder von Arbeitsmigranten aus der Türkei und hatten, wenn schon nicht hier geboren, zumindest ihre Jugend hierzulande verbracht. Erstaunlich bleibt dabei, wie der DFB schon zu Beginn der 1990er Jahre eine Definition des „Deutschen“ schuf, die nicht auf Blutsverwandtschaft basierte – eine Regelung, die in der Politik erst 2000 mit der rot-grünen Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts Einzug fand.

Die Erfindung des „Fußballdeutschen“ reiht sich somit ein in eine längere Tradition des DFB, die Bundesrepublik sukzessive als Einwanderungsgesellschaft zu betrachten und „Inländer am Leder“ zu definieren. Hatten früher schon polnischstämmige Spieler wie Rüdiger Abramczik das Dress mit dem Adler übergestreift und Rainer Bonhof, der die Vorlage zum Siegtreffer im WM-Finale 1974 gab, seine Jugend noch in den Auswahlteams der Niederlande verbracht, sollte die Geschichte auch nach 1990 fortgesetzt werden. Denn spätestens als die DFB-Elf um das Jahr 2000 herum recht erfolglos auf dem Grün herumstolperte, wollte man die Mannschaft mit ausländischen Top-Spielern aus der Bundesliga auffüllen. Akribisch wurde nach deutschen Großmüttern in den Stammbäumen gesucht, um nicht nur Sean Dundee und Paulo Rink einzubürgern. Sie alle blieben erfolglos.

So musste der DFB in den 2000er Jahren erkennen, dass er sich das große Potential der vielen fußballspielenden Kinder mit Migrationshintergrund nicht entgehen lassen könne. Das Ende ist bekannt: Mesut Özil und Sami Khedira trumpften bei der WM 2010 neben Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller groß auf. Vielleicht wäre es ohne die Erfindung des „Fußballdeutschen“ nie soweit gekommen.

Sonntag, 23. März 2014

Vielfalt im Gleichschritt

Es ist nicht einfach. Ein "Heer" von militärischen Vokabeln durchzieht die Welt des Fußball; ein Spiel zu schauen, ohne auf kriegsähnliche Wortkracher wie "Abwehrschlacht", "Flankenvorstoß" oder "Sturmspitze" zu treffen, erscheint kaum möglich. Doch noch abstruser wird es, wenn diese Welt um das runde Leder auf den Begriffsapparat des multikulturellen Berlins trifft, wie das folgende Beispiel zeigt:

Quelle: Screenshot.

Irgendwie müssten sich die Verantwortlichen des Berliner AK einig werden: Steht man nun für gesellschaftliche Vielfalt, wie es im Header heißt, oder den Gleichschritt einer Militärparade, wie der Titel des Artikel auf der Startseite verspricht? Beides zusammen geht wohl kaum, zumindest nicht, wenn mindestens eines davon ernst gemeint ist. Wir sind gespannt...

Galatasaray setzt sich für twitter ein

Richtige Social-Net-Credibility hat sich gestern Abend der türkische Rekordmeister Galatasaray erarbeitet. Auch wenn es im Hauptgeschäftsbereich der Istanbuler nicht ganz so rund läuft. Nach dem Ausscheiden aus der Champions League folgte am Wochenende in der Schlußminute eine 0:1 Heimniederlage gegen den Tabellenletzten Kayserispor und damit wohl das vorzeitige Aus im Rennen um die Meisterschaft der Süperlig. Logische Folge bei den erfolgsverwöhnten Fans. Verbale Fanproteste gegen die Vereinsführung.

Außerhalb des Kerngeschäftes jedoch ist den gelb-roten ein Coup gelungen. Während Stadtrivalen Fenerbahçe und Beşiktaş seit den heißen Tagen um die Gezi-Park Proteste durch Aktionen der Fans mit reichlich Street-Credibility punkten konnten, erkämpft sich Galatasaray mit ein paar Zeilen im richtigen Moment und an richtiger Stelle die Hochachtung der Netzcommunity. Nachdem in der Nacht auf Freitag in der Türkei der Zugang zu Twitter von staatlicher Seite erschwert wurde, ist der Zwitscherdienst nur noch durch die Hintertür zu erreichen. Nur VPN-Server helfen den geplagten Usern weiterhin wichtiges und unwichtiges in die Welt hinauszuposten. Erstaunlich klar bezieht dazu der Klub auf seiner Homepage Stellung:
„ Die Ereignisse im Rahmen der Zugangsbeschränkungen für Twitter, verfolgen wir als Klub mit mehr als 4 Millionen Nutzern und Followern mit Sorge. Twitter ist für unseren Verein nicht nur ein Informationskanal um mit unseren Fans und der Öffentlichkeit in Verbindung zu stehen, sondern auch für die ausländischen und inländischen Sportler in allen unseren Abteilungen eine täglich und häufig genutzte Media-Plattform. Wir hoffen und erwarten, dass von dieser Maßnahme, die sowohl in der Türkei als auch international zu Kritik führte, schnellst möglich Abstand genommen wird.“


Eins drauf legte der Klub am Sonnabendabend. Demonstrativ trugen die Spieler beim Aufwärmen frisch bedruckte Shirts mit der Twitter Adresse des Klubs. Die beiden großen Rivalen hingegen hielten sich bedeckt. Fenerbahçe twittert zwar nach einer Pause seit heute wieder, Beşiktaş´ Twitter-Account ist jedoch nach den staatlichen Zugangsbeschränkungen verstummt. Für Galatasaray ist der Web-Aktionismus nur konsequent. Twitter ist ein wichtiges Standbein des Vereins. Im weltweiten Ranking der Follower stehen die Istanbul Löwen hinter Barcelona und Real Madrid auf Platz Drei.

Sonntag, 2. März 2014

Extremsport am Bosphorus

Zugegeben Fahradfahren an sich ist nicht wirklich eine Extremsport, schließlich sitzen kleine Kinder, als auch ich selbst oft quitschvergnügt auf dem Drahtesel. Der Parkur gibt den Kick. Sei es die Ausdauerfahrt aus der Bundesrepublik in die Türkei, oder sei es einfach nur der Weg zur Arbeit in der Metropole am Bosphorus.
Plötzlich abbiegende Autos, öffnende Türen, auf einmal stoppende Fahrzeuge, unvorhersehbare Richtungsänderungen. Der Verkehrsalltag in Istanbul erfordert für Radfahrer nicht nur besonderen Mut, sondern auch hundertprozentige Aufmerksamkeit, schnelle Reaktion, ein gutes Auge und zudem aufgrund der hügeligen Stadt einen guten Atem. Schaut selbst: Wie extrem die einfachsten Wege per Rad sein können.